Dienstag, 2. Juni 2009

Neapolitanische Verhältnisse

Meine Wohnung ist wie Neapel: einfach zu viel Müll. Neuerdings habe ich ein ernstes Entsorgungsproblem. Ich hoffe nur, dass die Mafia Camorra noch ein bisschen auf sich warten lässt. Alles begann ganz harmlos, als ich vor einigen Tagen den gefüllten Gelben Sack vor das Haus stellte und wenig später feststellte, dass ich keine ungefüllten Gelben Säcke mehr im Haus hatte. Ich ahnte noch nicht, dass die Plastikbeutel in Münster ein knappes Gut sind, hart umkämpfte Ressourcen im Dschungel der Westfalenmetropole.

Hoffnungsfroh stand ich am Samstag im Bürgeramt - wo ich meine letzten beiden Rollen Gelbe Säcke vor ungefähr drei Jahren abgeholt hatte. Doch kein Rollwagen mit Entsorgungshilfen weit und breit. Ich fragte um Rat, der Mann schaute mich entgeistert an: "Die gibt's hier schon seit anderthalb Jahren nicht mehr." Dann drückte er mir ein Kärtchen in die Hand: "Darum kümmert sich jetzt ein privates Unternehmen. Rufen Sie bei dieser Hotline an." Die am Samstag natürlich nicht besetzt ist. Am Pfingstsonntag natürlich erst recht nicht. Und Pfingstmontag... Na, egal. "Und was mache ich solange mit meinem ganzen Müll?", fragte ich den Mann im Bürgeramt. Seine Antwort war nüchtern, fast herzlos: "Tun Sie ihn erst mal in eine normale Plastiktüte."

Heute habe ich bei der Hotline angerufen: "Guten Tag, ich habe keine Gelben Säcke mehr. Können Sie mir sagen, wo ich mir welche abholen kann?" Der Mann am anderen Ende der Telefonleitung bremste meine Euphorie abrupt: "Moooment. So einfach ist das nicht." Und er erklärte mir das komplizierte Verfahren: Ich gebe ihm meine Adresse, er schickt mir zwei Bezugsmarken, und mit denen kann ich dann in einer Tankstelle meines Vertrauens zwei Rollen Gelbe Säcke abholen. "Das ist ja wie mit den Lebensmittelmarken nach dem Krieg", kicherte ich. Der Gelbe-Säcke-Bezugsmarken-Verwalter eines privaten Entsorgungsunternehmens fand das weniger witzig. "Das Problem ist, dass die Leute die Gelben Säcke sonst für alles Mögliche andere benutzen", erklärte er die Rationierung. "Das geht natürlich nicht", pflichtete ich ihm schuldbewusst bei - und dachte an meine beiden frostempfindlichen Balkonpflanzen, denen ich vor einigen Monaten in Schnee und Eis ebenso schicke wie warme Wintermäntel aus Gelben Säcken geschneidert hatte. Ich fügte mich in mein bürokratisiertes Schicksal und warte seitdem brav auf Post, um endlich meine Ration Plastikbeutel abholen zu können. In meiner Küche stehen derweil zwei kleine Einkaufstüten mit Joghurtbechern, Konservendosen und Tetrapacks. Ich hoffe nur, meine Bezugsmarken kommen vor der nächsten Müllabfuhr.

Eine Freundin hat mir später auf einer Decke am Aasee erzählt, dass ihr Mitbewohner letztens nach einer WG-Party vier Rollen Gelbe Säcke erbeutet hat. Sie lagen haufenweise unbeaufsichtigt in einem Hausflur herum - und alle Party-Heimgänger haben sich fleißig bedient. Höchstwahrscheinlich gibt es also schon in Kürze einen Schwarzmarkt für Gelbe Säcke. Oder sogar eine westfälische Müll-Mafia. Mit meinem Insider-Wissen könnte ich es vielleicht sogar bis zur Patin bringen - wer weiß?

1 Kommentar:

  1. Diese Riesenmüllsäcke von Ja! (bis zu 60 l glaub ich - erhältlich in jedem gut sortierten REWE Markt) eignen sich prima als Gelbsack-Ersatz. :-) Is glaub ich einfach sonen Ding der Deutschen - wäre sonst alles zu leicht. Bei der Telekom neulich: Verkäufer: "Ja, also mit diesen beiden Geräten können sie dann einen weiteren Fernseher in ihrer Wohnung kabellos mit Fernsehsignal füttern. (zeigt mir die beiden neuen, originalverpackten Geräte) Die können sie einfach mieten und wir fügen das dann einfach von ihrer monatlichen Rechnung hinzu." Daniel: "Ja, super Geschichte - dann nehm ich die gleich hier mit und kann heute abend im Schlafzimmer fernsehen." Verkäufer: "Nee, das geht nicht... Die muss ich ihnen zuschicken." Daniel: "Quatsch, is doch nicht nötig, ich park hier gleich um die Ecke, ich nehm die einfach mit." Verkäufer: "Nee, das ist Rechtlich leider nicht möglich..." - ok... Dann eben 10 Tage warten. Macht ja nix. :)

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