Montag, 25. Mai 2009

Geburtstage des Grauens

Am Samstag werde ich den dritten 30. Geburtstag innerhalb eines Monats mit meiner Anwesenheit verschönern. Zum Glück bin ich selbst noch lange nicht Dreißig, aber der Tag dräut bereits dunkel am Horizont. Und dann? Dann gibt es keine Entschuldigung mehr; ich werde in der Außenwirkung rettungslos erwachsen sein. Das Gute an 30. Geburtstagen: Wenn es gut läuft, fühlen sich alle noch ein Mal ein bisschen wie 20-Jährige. Dieselben Leute, dieselben Getränke, dieselbe Musik, nur ein schlimmerer Kater am nächsten Tag. Das Schlechte: Wenn es schlecht läuft, fühlt man sich alt. Oder irgendwie zurückgelassen. Drei Gesprächsfetzen, die signalisieren, dass man auf einer eher miesen Endlich-30-Party gelandet ist:

"Unsere kleine Jaqueline (Name geringfügig von der Redaktion geändert) kann sich jetzt ganz alleine auf den Bauch drehen."

"Für mich bitte einen grünen Tee. Ich bin doch mit dem Porsche da."

"Was? Schon 12? Wir müssen jetzt gehen - meine, ich sach ma, Schwiegermutti kommt morgen zum Frühstück."

Ich mag das Ende von Pippi Langstrumpf: Pippi, Thomas und Annika werfen Pillen ein, die aussehen wie schrumpelige Erbsen - aber "in echt" ein Medikament gegen das Erwachsenwerden sind. "Liebe kleine Krummelus, niemals will ich werden gruß", sagen sie. Und schlucken. "Es würde wieder Frühling werden, und neue Sommer, Herbst und Winter würden kommen; aber sie würden niemals aufhören zu spielen." Ich will das auch! Glück für Pippi, Thomas und Annika ist allerdings, dass sie sich zu dritt gegen das Groß- und Vernünftigwerden wehren. Blöd dagegen, wenn wieder mal nur mir jemand eine KO-Tropfen-Ration Krummelus ins Getränk gekippt hat - mitten auf einem Geburtstag voller Vollblut-Erwachsener.

Montag, 4. Mai 2009

Der Glamour, der Gunter und ich

Münster ist eine schillernde Metropole. Glamour und abgewracktes Rocker-Lebensgefühl leisten sich hier täglich Nachbarschaftshilfe - natürlich am Hansaring, wo am Abend des 1. Mai eine weiße Stretch-Limousine mit verdunkelten Scheiben im Schneckentempo in Richtung Innenstadt (oder sagt man in Westfalen auch schon "Mitte"?) verschwindet. Und dabei ungefähr so unauffällig wirkt wie ein Raumschiff. Weniger deplaziert, aber wohl noch spektakulärer ist der ältere Mann, der auf der Holzbank vor einer Kneipe sitzt und Bier trinkt.

"Den kenn ich", raune ich meiner Freundin zu. Sie starrt mich fassungslos an. Denn der Mann hat ganz offensichtlich sehr viele sehr anstrengende Jahre hinter sich. Er könnte höchstwahrscheinlich Geschichten erzählen, die Amy Winehouse und Blake Fielder-Civil vor Neid erblassen ließen. Zumindest sieht er so aus: Insgesamt eine etwas teigige Existenz, mit langen farblosen Strähnen und tiefen Furchen im Gesicht. Den Mann habe ich zum letzten Mal vor schätzungsweise fünf oder sechs Jahren im Fernsehen gesehen, fällt mir plötzlich ein. Völlig ab- und ausgebrannt. Auf seinem Hausboot. Er wolle überall in Deutschland für 1000 Euro auftreten, sagte der Mann damals. Und seine Trucker-Lieder spielen. Der Mann heißt Gunter Gabriel. Inzwischen starren schon drei fassungslos: Ich, weil ich Gunter Gabriel in einer Kneipe in Münster erkenne. Meine Freundin immer noch, weil ich weiß, wer Gunter Gabriel ist. Gunter Gabriel, weil ihn zwei junge Frauen so schamlos anglotzen. Da hilft nur eins: Flucht mit dem Fahrrad.

Übrigens hat mir Wikipedia erklärt, dass Gunter Gabriel nach eigenen Angaben ganz dick mit Johnny Cash befreundet war: "Mit Hilfe seines damaligen Managers Michael Schmelich nahm er im Studio von Johnny Cash in Hendersonville (Tennessee) ein Album mit Cash-Songs in deutsch auf, "The Tennessee-Recordings". Johnny Cash verstarb kurze Zeit später." Ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen gab, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Einen seiner größten Erfolge feierte Gabriel übrigens anno 1974 mit dem Lied "Hey Boss, ich brauch mehr Geld". Ein schöner Wunsch. Dann klappt's vielleicht auch bald mit der Stretch-Limo.

PS: Ich habe nicht halluziniert. Gunter Gabriel war wirklich in Münster. Beweise gibt's hier. Und hier.