Montag, 4. Mai 2009

Der Glamour, der Gunter und ich

Münster ist eine schillernde Metropole. Glamour und abgewracktes Rocker-Lebensgefühl leisten sich hier täglich Nachbarschaftshilfe - natürlich am Hansaring, wo am Abend des 1. Mai eine weiße Stretch-Limousine mit verdunkelten Scheiben im Schneckentempo in Richtung Innenstadt (oder sagt man in Westfalen auch schon "Mitte"?) verschwindet. Und dabei ungefähr so unauffällig wirkt wie ein Raumschiff. Weniger deplaziert, aber wohl noch spektakulärer ist der ältere Mann, der auf der Holzbank vor einer Kneipe sitzt und Bier trinkt.

"Den kenn ich", raune ich meiner Freundin zu. Sie starrt mich fassungslos an. Denn der Mann hat ganz offensichtlich sehr viele sehr anstrengende Jahre hinter sich. Er könnte höchstwahrscheinlich Geschichten erzählen, die Amy Winehouse und Blake Fielder-Civil vor Neid erblassen ließen. Zumindest sieht er so aus: Insgesamt eine etwas teigige Existenz, mit langen farblosen Strähnen und tiefen Furchen im Gesicht. Den Mann habe ich zum letzten Mal vor schätzungsweise fünf oder sechs Jahren im Fernsehen gesehen, fällt mir plötzlich ein. Völlig ab- und ausgebrannt. Auf seinem Hausboot. Er wolle überall in Deutschland für 1000 Euro auftreten, sagte der Mann damals. Und seine Trucker-Lieder spielen. Der Mann heißt Gunter Gabriel. Inzwischen starren schon drei fassungslos: Ich, weil ich Gunter Gabriel in einer Kneipe in Münster erkenne. Meine Freundin immer noch, weil ich weiß, wer Gunter Gabriel ist. Gunter Gabriel, weil ihn zwei junge Frauen so schamlos anglotzen. Da hilft nur eins: Flucht mit dem Fahrrad.

Übrigens hat mir Wikipedia erklärt, dass Gunter Gabriel nach eigenen Angaben ganz dick mit Johnny Cash befreundet war: "Mit Hilfe seines damaligen Managers Michael Schmelich nahm er im Studio von Johnny Cash in Hendersonville (Tennessee) ein Album mit Cash-Songs in deutsch auf, "The Tennessee-Recordings". Johnny Cash verstarb kurze Zeit später." Ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen gab, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Einen seiner größten Erfolge feierte Gabriel übrigens anno 1974 mit dem Lied "Hey Boss, ich brauch mehr Geld". Ein schöner Wunsch. Dann klappt's vielleicht auch bald mit der Stretch-Limo.

PS: Ich habe nicht halluziniert. Gunter Gabriel war wirklich in Münster. Beweise gibt's hier. Und hier.